Herausforderung Corona-Karenz – Lernen in Distanzphasen
Digitalisierung weiter vorantreiben
Digitalisierung ist kein Fremdwort in den Kaufmännischen Schulen Tecklenburger Land, im Gegenteil. In unserem Schulprogramm steht „Wir fördern professionelles Handeln in einer digitalisierten Welt.“ Und genau das setzen wir in unserem Hochhaus direkt am Ibbenbürener Bahnhof seit mehreren Jahren um, d. h. wir haben das Selbstverständnis, dass wir die Herausforderung als Chance begreifen. Und Expertise ist naturgemäß durch die Ausbildung von IT-Berufen umfassend vorhanden.
Wie in Betrieben ist die Digitalisierung in unserer Schule als ein Prozess zu verstehen. Die digitale Infrastruktur mit WLAN für Schüler*innen, kabellose Projektion von unterschiedlichsten Endgeräten und die Nutzung von verschiedenen professionellen Softwarelösungen gehören heutzutage in vielen Bildungsgängen zum Tagesgeschäft. Dennoch sind wir keineswegs am Ziel, arbeiten jedoch in Arbeitskreisen mit dem Träger, weiteren Berufskollegs und einem Consultingunternehmen an einer weiteren Professionalisierung.
Das hört sich sicherlich erst einmal abstrakt an, daher hier ein paar Beispiele, die natürlich nicht alles abbilden, was wir in unserer Schule derzeit umsetzen:
- In der Höheren Handelsschule erstellen Schüler*innen Erklärvideos zu einzelnen Themen. Dabei nutzen sie professionelle Lösungen, die es erlauben sowohl in der Schule als auch in Distanzlernphasen (wie aktuell in der Coronakrise) die Videos zu gestalten. Didaktisch begründet sich dieser Ansatz in der Entwicklung zentraler Kompetenzen, die von unterschiedlichsten Studien als zentrale Kompetenzen für eine Informationsgesellschaft eingestuft werden. Wir möchten z. B. zielorientierte Kreativität fördern, da Routineprozesse bereits heute vielfach digital abgebildet werden. Die Reproduktion von Wissen kann heutzutage jedes Smartphone erbringen, dafür müssen Schüler*innen nicht in die Schule gehen. Es geht darum, Fähigkeiten zur Kollaboration zu entwickeln, da die Arbeit in heterogenen Gruppen in Zukunft das Mittel der Wahl ist, um komplexe Herausforderungen zu lösen. Es geht darum vom Konsumenten zum selbstreflektierten Produzenten zu werden, da Studien belegen, dass Jugendliche und (junge) Erwachsene heutzutage oftmals nur unreflektiert konsumieren können. Wir bereiten Schüler*innen auf den Arbeitsmarkt vor, da sind Köpfe gefragt, die sich in Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse einbringen können.
- Wenn es darum geht sich mit Office-Systemen auseinanderzusetzen, werden gerne Videos eingesetzt, die im Stile eines flipped claasrooms (Beispiel: http://flippedclassroom.kstl.de/) eine erste Einarbeitung in ein Thema zuhause ermöglichen. Die Lernenden arbeiten im Unterricht an konkreten situativen Herausforderungen, Lehrkräfte schlüpfen dabei in die Rolle als Moderator*innen und haben so Zeit, die Lernenden zu unterstützen. Ziel ist es somit nicht, dass Schüler*innen das Wissen der Lehrkraft ‚reproduzieren‘ können. Nein, sie sollen in der Lage sein, Wissen für und in konkreten situativen Herausforderungen zu erarbeiten und anzuwenden. Wir beobachten bei der Entwicklung der Schüler*innen in diesem Bereich die größten Sprünge. Es gibt sicherlich vereinzelt auch Schüler*innen, die genau das zunächst sehr herausfordert, weil sie die Art zu Lernen schlichtweg zuvor nie gelernt haben. Hier heißt es dann: Lernen lernen!
- Im Wirtschaftsgymnasium wird seit zwei Jahren ein cloudbasiertes Kursnotizbuch genutzt. Darüber werden im traditionellen Stil zum einen Materialien bereitgestellt. Das Lernen geht aber ein paar Schritte weiter. Es wird in sogenannten ‚collaboration spaces‘ gemeinsam an situationsbezogenen Lösungen gearbeitet, es werden synchron Präsentationen, Textdokumente erstellt, spanische und englische Texte werden gesprochen und aufgezeichnet, individuelle Notizbücher als Abiturvorbereitung aufgebaut, Websites designed, Codes programmiert und Datenbanken gestaltet.
- In IT-Klassen werden natürlich IT-Themen erarbeitet. Daneben wird, wie in den anderen Bildungsgängen, auf Werkzeuge des Web2.0 gesetzt. So werden beispielsweise Wikis (ähnlich Wikipedia) gemeinsam gestaltet, Team-Umgebungen zum Dateiaustausch und zur Kommunikation genutzt usw. Aktuell erarbeiten einige Auszubildende virtuelle Exit-Games, indem sie bereits gelernte Unterrichtsinhalte in Rätsel verpacken und die Lösungen jeweils den Zugang zum nächsten Rätsel ermöglichen.
- Allen Klassen steht zudem eine Cloud der KSTL zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Online-Speicher, der sich auf unseren schuleigenen Servern befindet. Er kann neben den kollaborativen Systemen für die Bereitstellung von Aufgaben genutzt werden.
Unser Schulträger, der Kreis Steinfurt, hat uns zudem seit fast zwei Jahren mit einer entsprechenden Schullizenz ausgestattet und für die vielfach diskutierten Datenschutzherausforderungen wurde eine Lösung im Einvernehmen mit den Schüler*innen und Eltern umgesetzt.
Die Coronakrise hat uns als Organisation selbstverständlich vor einige Herausforderungen gestellt. Wir sind jedoch froh, dass wir über Cloud-Dienste in der Lage sind, mit ganzen Schulklassen und innerhalb des Kollegiums Videokonferenzen zu führen, Dokumente kollaborativ erarbeiten zu lassen, Live-Übertragungen von Bildschirmen (sogenanntes screen mirroring) durchzuführen usw. So können wir die persönliche Beziehung aufrechterhalten und manche Unterhaltung, statt per Telefon oder Mail auf unkomplizierte Weise umsetzen.
Die aktuelle Situation ist für uns natürlich neu, schließlich bricht die Präsenzzeit weg. Daher gilt es, Ideen und Lösungen, die im Kollegium und gemeinsam mit den Schüler*innen erarbeitet werden, auszutauschen. Da wir uns nicht persönlich treffen können, haben wir z. B. bereits eine Online-Fortbildung gestartet, bei der ein großer Teil des Kollegiums teilgenommen hat. Es geht jetzt darum die ausgetauschten Lösungen praktisch umzusetzen und weitere Erfahrungen zu machen. D. h. wir sind selbstverständlich in einem Lernprozess als gesamte Organisation und freuen uns sehr, dass unsere Schüler*innen diesen Prozess gerne mitgehen.
Es zeigt, dass viele unserer Schüler*innen ebenso wie die Lehrkräfte bereit sind, pragmatisch mit der Situation umzugehen und ihre privaten Endgeräte und Internetleitungen nutzen. Da es aber keine 1:1-Ausstattung gibt, liegt hier aber auch der Engpass: Nicht alle Schüler*innen verfügen über Endgeräte, teilweise sind auch die Netzverbindungen je nach Wohnort noch nicht optimal. In Kürze: Wir freuen uns, dass die Schüler*innen kollaborativ im Rahmen der Möglichkeiten miteinander lernen und die sozialen Kontakte weiter gestärkt werden – auch wenn wir es momentan noch nicht in allen Fächern und Bildungsgängen umsetzen können. Aber wir haben uns auf den Weg gemacht und die derzeitige Situation unterstreicht noch einmal sehr deutlich die Bedeutung des digitalen Lernens und die Abhängigkeit von didaktischer Professionalität und digitaler Infrastruktur.
In dem Sinne: Es bleibt spannend und bleiben Sie gesund!